Samstag, 16. Juni 2012

THE LEGENDARY GIBB RIVER ROAD

Anmerken muss ich an dieser Stelle noch, dass wir offiziell gar nicht abseits geteerten Straßen fahren durften - geschweige denn die Gibb herunter, da allzu viele Backpacker nicht erfahren genug in unwegsamen Gelände sind, Unfälle bauen etc. Die Versicherung dafür wäre wesentlich höher gewesen. Als wir jedoch immer wieder "the Gibb" zu Ohren und angeraten bekamen, konnten wir der Versuchung einfach nicht mehr widerstehen und taten es dennoch. Fahren ist in der Tat anspruchsvoll, aber ein Abenteuer, dass ich nicht hätte missen wollen und längst nicht mehr so gefährlich, wie es noch einige Jahre zuvor war. Wir recherchierten ein wenig und als uns der Satz "Honestly, ANYONE can drive the Gibb River Road these days!" ins Auge stieß, war es entschieden. Als wir letztendlich unbeschadet und ohne jegliche Pannen in Broome ankamen, mussten wir unseren treuen, schlammverkrusteten Landcruiser erstmal einer gründlichen Wäsche unterziehen, um jeglichen Verdacht zu vermeiden... Cheeky!

Die Gibb startet dann auch erstmal ganz gemütlich mit recht flachem Gelände, gut ausgebauter Straße (die ersten Kilometer sogar noch zweispurig!) und idyllischen Bergketten am Horizont. Man fährt so einige Kilometer unbeschadet dahin und fragt sich, wo denn nun all die Abenteuer auf einen warten. Nach einer besonders engen Kurve fanden wir es heraus: Vor uns lag ein Fluss von beachtlicher Breite und die Staubpiste führte direkt darauf hin, verschwand und tauchte am anderen Ende wieder auf. Keine Furt, ein waschechter Fluss und es hatten sich schon so einige Fahrer versammelt, die ungläubig und unsicher aus den Fenstern lugten und sich nicht so recht weitertrauten... Das Selbe galt auch für uns, wir verbrachten eine gute Viertelstunde am Ufer und beobachteten die langsame und ruckelnde Überquerung, das gelegendliche Abdriften und wieder auf den Kurs Kommen mehrerer Fahrzeuge bevor wir uns ein Herz fassten, und es selbst angingen. Auto für den Vierradantrieb startklar machen, Fenster und Türen fest zuschließen (das Wasser reichte bis über den Fußraum hinauf...) und rein ins nasse Vergnügen. Es wackelt. Und rumpelt. Und man muss gelegentlich der Strömung entgegenlenken um nicht den Fluss hinuntergeschwemmt zu werden, aber sowohl Tom als auch unser Landcruiser waren den Fluten gewachsen und wir kamen trockenen Fußes und unbeschadet am anderen Ende an. Puuuhhh...  Dieser erste Fluss war dann letztendlich auch nicht der letzte, man hat so einige zu überqueren, die teilweise zu Bächen und Rinnsalen ausgetrocknet oder aber noch gute 25m breit sind. Wir meisterten sie alle!

Gegen Nachmittag steuerten wir die erste auf unserer Karte - ach ja, unsere Karte: Eine interessante background story kann ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen. Wir fanden die Fetzen einer WA-Karte an unserem letzten Tag in Alice Springs in einem Aufenthaltsraum unseres Hostels und nachdem wir feststellten, dass alle Teile noch vorhanden waren, beschlossen wir, den Tesa zu zücken und das gute Stück wieder zusammenzukleben. Diese Mappe begleitete uns dann letztendlich die vollen drei Wochen unserer Fahrt und wir merketen bald, dass sie so aktuell nciht mehr sein konnte. Ein Datum fanden wir allerdings nicht und so kamen wir erst in Perth dazu, anhand der ISBN-Nummer das Herausgebungsdatum mal zu recherchieren: Wir orientierten uns an einer gut 30jährigen Karte!!!! Was sich seitdem in Australien verändert hat ist beachtlich und ich bin wirklich beeindruckt, dass wir uns niemals verfuhren.

Nun gut, nun aber wieder zurück zum Thema... Gegen Nachmittag steuerten wir die erste auf unserer Karte verzeichnete Schlucht an und rumpelten gute 6km im Schneckentempo über einen Feldweg, der diesen Namen nichtmal im Traum verdient hat. Die Schlaglöcher waren Moonkrater, der Untergrund schräg wie eine Skirampe und überall stieß man auf spitze Steine, die fast Hinkelsteingröße besaßen und jeden Reifen beim kleinsten Kontakt aufgeschlitzt hätten... Die besagte Schlucht war dann letztendlich auch nicht aufzufinden obwohl ein älterer Herr, der in seinem Wohnmobil Siesta machte, uns vehement und ziemlich unfreundlich in eine bestimmte Richtung schickte. Wir fanden weder Trampelpfade, noch Schilder oder sonstige Zeichen, dass wir uns auf dem richtigen Weg befanden und beschlossen dann nach 10/15min umzukehren, bevor wir uns verliefen. Bell Gorge, die populärste Schlucht der Gibb war dann geschlossen und ebenso eine weitere kurz danach. Trotz all dem offroad Fahrspaß fühlte es sich eher wie ein absoluter Pechtag an und dunkel wurde es auch schon wieder... Wir hielten die Augen offen und fanden so den schönsten Platz, an dem wir je übernachtet hatten:
Ein einfacher Sandplatz (no camping allowed!) neben der Straße, auf einer Anhöhe gelegen, die das gesamte Tal und in der Ferne einige Bergketten überblickte und keine Menschenseel weit und breit. Mittem im Herzen des Kimberley und staunend setzten wir uns an den Rand des Abhanges um den Farbenwechsel des Sonnenunterganges zu bewundern, gingen früh ins Bett und erwachten in der Dämmerung, als der Horizont hinter der Ebene, die wir von unserem Bett überblickten, sich goldorange färbte. Noch in Bettlaken gehüllt standen wir erneut staunend in der frischen Morgenluft und beobachteten den Sonnenaufgang. Idyllische Momente, die in ihrer Natürlichkeit, Abgeschiedenheit und Authentizität vollkommen waren.
Noch am frühen Morgen erreichten wir dann Windjana Gorge. Und diese war dann tatsächlich auch endlich auffindbar und geöffnet!! Happy days! Voller Elan schnürten wir die Wanderschuhe und machten uns auf den Weg. Ein schönes Fleckchen dort, klares Wasser, weißer Sand, viel Grün und natürlich die beeindruckenden Felswände um einen herum. Windjana Gorge ist außerdem das Zuhause zahlreicher wildlebender... *drumroll* ... wait for it ... KROKODILE!!!

Ja, in der Tat. Jetzt muss ich das ganze natürlich ein bisschen relativieren, weil es sich nicht um die biestigen Salzwasser- sondern um wesentlich kleinere Süßwasserkrokodile handelt, von den Australiern "Freshies" genannt. Diese sind im allgemeinen recht scheu, werden im Durchschnitt 2m lang und haben eine sehr spitze Schnauze, die bei Weiten nicht so kraftvoll wie das Maul eines "Salties" ist. Australier, die "gefährlich" wesentlich anders als wir Europäer definieren, stufen Süßwasserkrokodile als harmlos ein. Was bedeutet: Man muss schon ziemlich viel Pech haben um von ihnen getötet zu werden. Was allerdings nicht heißt, dass sie einem nicht den Fuß oder sonstige Extremitäten abbeißen, wenn man ihnen zu nahe kommt oder sie reizt. Es dauerte dann auch nur wenige Minuten bis wir unser erstes Krokodil entdeckten, sich träge auf der Sandbank sonnend und im Laufe des Vormittags kreuzten sich unsere Wege mit noch zahlreichen weiteren Exemplaren, meist am anderen Ufer zu entdecken (die wissen ja nach jahrelanger Erfahrung, auf welche Seite die Touristen laufen). Unser größtes Freshy lag dann alerdings auf unserer Flussseite und nervös näherten wir uns, bis wir auf knappe 2m Entfernung heran waren, ein schnelles Foto schossen und dann auch bald den Rückzug antraten. Früh am Morgen sind Krokodile als Kaltblüter ja noch recht unbeweglich und müssen erst einmal Wärme und Kräfte in der Sonne sammeln. Deshalb ist es recht ungefährlich, sich ihnen zu nähern und solange man sie nicht reizt, passiert nichts. Glaube ich jedenfalls. Aber das Herzklopfen war allemal da und ich hinderte meinen abenteuerlichen Tom (manche würden es eher als lebensmüde bezeichnen), dann auch bestimmt daran, NOCH näher heranzutreten... Australien-Flair pur.

Tunnel Creek steuerten wir als nächtes an, es ist ein ca. 1.5km langes unterirdisches Höhlensystem, das ein Fluss über die Jahrhunderte ausgehöhlt hat und in der dry season vollständig durchquerbar ist. Klang abenteurlich. War es dann auch. So abenteuerlich, dass ich vor Angst fast gestorben wäre. Natürlich lasen wir die Informationstafeln und wussten, dass es ein bisschen feucht da drin war und eine Taschenlampe angeraten wurde. Worauf wir nicht vorbereitet waren, war dies: Tiefste Schwärze, bei der man nicht mehr die Hand vor Augen sehen konnte, und die unsere funzelige Taschenlampe nur wenige Zentimeter durchbrechen konnte. Modriges, kaltes Wasser, dass mir (so kurz nach der wetseason) noch fast bis zum Po reichte. Tiefer Schlamm, der die Turnschuhe festzusaugen und einen nach unten zu tiefen scheint. Felsbrocken, die aus dem Nichts auftauchen und einem zum Stolpern bringen. Vorbeisausende Fledermäuse, die knapp an den blinden Köpfen vorbeisausen und nur am Flügelrauschen und hohen Fiepen plötzlich wahrzunehmen und dann auch schon vorbei sind. Und dann paart dies mal mit meiner alten Angst vor der Dunkelheit und Erinnerungen an die Informationstafel, dass sich hier ab und an auch mal ein Süßwasserkrokodil verirrt, plus Erinnerungen an Horrorfilme, Gespenstergeschichten und Gollum und ihr könnt erahnen wie panisch ich wurde. Ich hatte schon wieder umgedreht und war fest entschlossen, mich auch nicht nur einen weiteren Meter weiter in diese tiefe Schwärze zu begeben, als Tom mich dann mit liebevollen Motivationsreden umstimmte und mich sicher und unbeschadet hindurchleitete. Meistens hatte ich meine Augen fest zugekniffen, seinen Arm festumklammert und verlangte, dass er mich, wann immer wir durch Moderwasser waten mussten (ungewiss wie tief es wurde, was uns an den Beinen berührte und wann die nächste Sandbank auftauchen würde), mit willkürlichen Geschichten und Witzen ablenkte. Es klingt übertrieben, aber was ich fühlte, war tatsächlich nackte, blanke Angst. Ungefähr in der Mitte des Tunnels fanden wir einen Einbruch, durch den strahlendgoldenes Sonnenlicht einfiel und wir staunten über die perfekte Spiegelung des Gesteins im Wasser. Und wieder wurde es dunkel. Gepresstes Atmen, angespannte Muskeln und Nerven und die tiefste Schwärze vor Augen. Teilweise blitzten wir mit meiner Kamera schnell in die Dunkelheit, um wenigstens für den Bruchteil einer Sekunde unsere Umgebung wahrzunehmen und uns orientieren zu können (fast alle Fotos sind mit Blitzlicht entstanden, ich hatte nicht die geringste Ahnung, was sich da um und über mir befand). Und endlich, endlich sahen wir den Ausgang: Ein Oval verlockenden, rufenden Lichtes, das mich förmlich ansog mit aller Sicherheit, die es versprach. Ich konnte gar nicht schnell genug ankommen. Man betrat eine Art sonnige Tallichtung, in der ein munterer Bach fröhlich vor sich hingluckert und ich sog alles blendende Licht, alle Wärme gierig in mir auf bis Tom mich plötzlich am Arm packte und zur Seite zeigte. Nur wenige Meter von uns entfernt erhob sich ein Schwarm schwarz-blauer Schmetterlinge, hunderte von ihnen! So etwas Schönes habe ich noch nie zuvor gesehen... Es klingt fast wie ein Märchen, aber dieser Moment war tatsächlich echt und wahr und so unreal, dass mir wortwörtlich der Mund offenstand. Es machte alle Angst, alle Panik doppelt und dreifach wieder wett! Neben uns hielt sich dort noch ein weiteres Pärchen auf, und der Mann kletterte den Schmetterlingen mit seiner Kamera nach und scheuchte sie immer wieder auf, sodass sie immer wieder in einer flatternden Wolke aufstiegen und durch die Sommerluft gaukelten. Momente voll purer Schönheit.
Sicher versteht ihr, dass es mir schwerfiel, diesen Ort zu verlassen und wieder in der gähnenden, dunklen Höhlenöffnung zu verschwinden. Ein bisschen einfacher war es allerdings, da ich ja schon wusste, dass man lebend wieder am anderen Ende ankommt, Dennoch konnte ich mir einen tiefen Seufzer der Erleichterung nicht verkneifen, als ich Tunnel Creek endlich den Rücken kehrte und alle Angst von mir abfiel, die Muskeln sich entspannten, das hämmernde Herz sich verlangsamte, das Atmen sich vertiefte. In der Hitze des sonnigen Tages erschien es plötzlich so unwirklich und absurd, dass ich noch vor wenigen Minuten schiere Angst verspürt hatte - und doch war es echt und da. Ich bin Tom dankbar, dass er mich überredete, nicht umzukehren, es war ein sehr eindrückliches Erlebnis, das ich allerdings nicht freiwillig wiederholen würde . Trotz der Schmetterlinge am anderen Ende ;)

Und nach einigem weiteren Fahren kamen wir dann auch am Ende der Gibb River Road an und lasen zum Schluss des Tages dann noch amüsiert, dass man ca. 3-24Tage braucht, sie zu befahren - wir es in zwei schafften. Unser Auto tauften wir nach diesem Trip "George the Gorgefinder" und wir waren richtigggehend traurig, ihn am nächsten Tag eintauschen zu müssen... Ein tolles Geländeauto (und das aus meinem unwissenden, weiblichen Mund will schon was heißen!).

Am Schluss dieses Berichtes muss ich mit viel Frustration und Enttäuschung anmerken, dass wir Probleme mit einer memory card hatten und so viele, viele wertvolle Bilder verloren. Die kostenspielige Wiederherstellung der Dateien brachte uns einige zurück, doch viele sind nun vermutlich für immer verloren. Und dazu gehören einige Krokodil Bilder und  Teile der Dokumentation meiner tapferen Odysee durch Tunnel Creek. Sehr, sehr schade. Aber natürlich sind all diese Erlebnisse klar in meinem eigenen Gedächtnis gespeichert...

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